Die Eisenbahn in Burweg
Wie alles begann – Planung und Bau der Bahnstrecke
Schon früh, um genau zu sagen im Jahre 1863 wurde mit den ersten Planungen der Bahnstrecke von Harburg nach Stade begonnen. 1866 überschlugen sich jedoch die Ereignisse und nachdem der Beschluss zum Bau der Königlich Hannöversche Staatseisenbahnn durch die Regierung des Königreiches Hannover fiel, wurde diese im selben Jahr durch die Preußen annektiert. Grundsätzlich waren die Preußen ebenfalls für den Bau dieser Bahnstrecke, doch auch eine Petition des damaligen Stader Bürgermeisters Neubourgs an den preußischen Ministerpräsidenten Bismarck änderte leider nichts an der Entscheidung der Preußen, die Bahnstrecke nicht zu bauen.
Einige Jahre gingen ins Land und knapp 5 Jahre später, am 05. Februar 1872 wurde über einen Gesetzesentwurf, der unter anderem auch den Bau einer Eisenbahnstrecke zwischen Harburg und Stade forderte, beraten. Es lag auf der Hand, dass langfristig die Bahnstrecke bis nach Cuxhaven führen soll und ein dazugehöriger Hafen für den Umschlag von Gütern entstehen soll. Der damalige Abgeordnete Dr. Braun-Wiesbaden stellte diesen Antrag, in dem eine private Gesellschaft gefunden werden sollte, die diese Anforderungen auf den Ausbau der Strecke erfüllen würde.
Knapp 3 Monate später, am 02. Mai 1872 fanden sich eine Reihe von angesehenen Personen aus Politik, Wirtschaft sowie großer Bankhäuser zusammen, mit denen die „Cuxhavener Eisenbahn-, Dampfschiff- und Hafen Aktiengesellschaft“ mit Sitz in Berlin gegründet wurde.
Mit der von der Regierung erteilten Baugenehmigung für den Bau einer Eisenbahnverbindung zwischen Harburg über Stade nach Cuxhaven und weiter nach Geestemünde stand dem Bau nichts mehr im Wege. Ein weiteres Ziel war der Ausbau des Hafens in Cuxhaven zu einem stets eisfreien, offenen Seehafen. Es war die Vision, mit großen Dampfschiffen, unter anderem in nur 27 Stunden, das Ziel Harwich in England zu erreichen.
Mit einem Aktienkapital der Gesellschaft in Höhe von 20 Millionen Thaler sollte es an den Bau gehen. Leider kam ihnen die beginnende Wirtschaftskrise in die Quere und es wurden nur Aktien im Wert von 8 Millionen Thalern herausgegeben von denen aber nur Stücke in Höhe von 6 Millionen Thalern gezeichnet wurden.
Die Gesellschaft die sich unter anderen aus Direktor Dr. Braun-Wiesbaden, jener Mann der den Antrag zum Bau der Bahnstrecke stellte, und Direktor David bestanden, versuchten verzweifelt Geldgeber zu finden. Bedauerlicherweise hielt sich der Mitteleingang in Grenzen. Die Ausgaben hingegen summierten sich rasch in die Millionenhöhe. Nicht zuletzt durch die glänzenden Gehälter, die die Geschäftsführer damals erhielten. Der bereits begonnene Bau der Hafen- und Eisenbahnanlagen musste aus Geldmangel wiedereingestellt werden. Die im Jahre 1873 begonnenen Arbeiten für eine Bahnverbindung zwischen Hamburg und Cuxhaven durch die „Cuxhavener Eisenbahn-Dampfschiff und Aktiengesellschaft“ mussten kurz danach schon wiedereingestellt werden.
Wieder gingen 5 Jahre ins Land und im Jahre 1879 konnte die bankrotte Gesellschaft ihre Konzession an die Belgische Gesellschaft „Societé Belge de chemines de fer“ in Brüssel verkaufen, die daraufhin die „Unterelbische Eisenbahngesellschaft“ mit Sitz in Harburg gründete. Die Gesellschaft übernahm den Weiterbau der Strecke.
Ein Mann mit Erfahrung übernahm die Planung der Strecke, dies war der Ingenieur Mengel. Dieser hatte zuvor bereits viele Erfahrungen in England sammeln können. Zudem bestand eine enge Verbindung zum Generalunternehmer J.H. Hagenah aus Stade. Neben der Gründung des Portlandzementwerkes in Hemmoor gründetet er auch die Stader Holzhandlung Hagenah-Borcholte. Er war durch und durch Bauunternehmer. Dieser engen Verbindung verdankt Hemmoor-Warstade sicherlich auch deren eigenen Bahnhof, der hauptsächlich der Verlandung von Portlandzement diente diente.
Die Trassenführung der Bahnlinie am Geestrand zur Marsch bot sich aus bautechnischen Gründen an und erklärt den heutigen Verlauf der Bahn durch die Gemeinde Burweg.
Als schwierig erwies sich dann aber der Ankauf von Ländereien, da die Eigentümer mit dem Zerschneiden ihrer Ländereien nicht einverstanden waren und daher zum Teil übertriebene Forderungen hatten. Insgesamt mussten 18 Betriebe insgesamt 31,7 ha Land für den Bahnbau abgeben.
Am 13.11.1880 fuhr der erste Zug der „Unterelbischen Eisenbahn“ zwischen Harburg und Horneburg. Ein halbes Jahr später, am 1.April 1881 konnte schon der Streckenabschnitt zwischen Horneburg und Stade als eingleisige Strecke in Betrieb genommen werden.
Die weiteren Abschnitte ließen nicht lange auf sich warten. Am 1.Juli 1881 folgte der Abschnitt zwischen Stade und Himmelpforten und am 10. November 1881 wurde die Fertigstellung der eingleisigen Strecke von Harburg nach Cuxhaven gefeiert.
Die Gesamtlänge der „Unterelbischen Eisenbahn“ beträgt 104 km.
Zum Bau des Bahndammes von Burweg in Richtung Oste wurde viel Bodenmaterial benötigt. Der Boden wurde westlich im Bereich des heutigen Bahnüberganges zwischen Gerd Offermann und Hans-Peter Hellwege sowie beim alten Sportplatz entnommen. Seitdem ist dieses Gebiet sehr viel tiefer gelegen. Durch diese „Ausschachtung“ entstand auch der Name der Straße „Im Schacht“. Während der Erdarbeiten war ein Teil des Dammes abgesackt, es hat einen sog. Grundbruch gegeben. Der Hügel des abgesackten Bodens ist heute noch im Obsthof Faby auf der Hechthausener Seite zu erkennen.
Die Bahnübergänge und deren Bedienstete
Zur Eröffnung der Bahnstrecke gab es in Burweg insgesamt 5 Bahnübergänge.:
- In der Nähe der Fußgängerbrücke über den Horsterbeck
- Bei ehem. Brinkmann
- Zwischen Borchers und Beckmann
- Zwischen Offermann und Hellwege
- In der Nähe des alten Osterfeuerplatzes
An der Horsterbeckbrücke sowie zwischen Beckmann und Borchers stand jeweils ein Bahnwärterhäuschen. Dies war der sogenannte Posten 35.
Der alte beschrankte Bahnübergang in der Nähe des alten Osterfeuerplatzes wurde Mitte der 1960er durch eine Straßenunterführung ersetzt.
Auf jeder Seite der Ostebrücke stand jeweils ein Wärterhäuschen, welches ständig bewohnt war. Letzter Brückenwärter auf Burweger Seite war Peter Loock mit Frau Anna Loock, geb. Torborg und Sohn Johannes.
Die Ostebrücke
Das größte Hindernis war jedoch der Brückenbau um die Oste zu überqueren. Aufgrund des regen Güterschiffsverkehrs zu den Häfen Gräpel und Bremervörde mit Segelschiffen und der Einwände der Flussschiffer, entschied man sich daher für den Bau einer technisch aufwendigen Drehbrücke.
Von der Firma Krupp aus Essen wurde eine Drehbrücke mit einem Mittelpfeiler und zwei Durchfahrtsöffnungen von je 13,5 m errichtet. Die Gründung der Brückenpfeiler erwies sich als sehr schwierig, da eine Moorschicht durchgraben werden musste. Die Brücke musste durch zwei Brückenwärter bedient werden, die auf beiden Seiten der Oste ihre Wärterhäuschen hatten. Der Betrieb der Brücke war jedoch von technischen Schwierigkeiten geprägt. Aufgrund des komplizierten Verschlusssystems und der massiven Stahlkonstruktion ließ sich die Brücke bei heißem Sommerwetter aufgrund der Wärmeausdehnung nicht öffnen. Die Schiffer mussten sich bis in die kühleren Abendstunden gedulden.
Bereits nach knapp 10 Jahren ist der Verkehr auf der Bahnstrecke so stark angestiegen, dass die Strecke zwischen 1892 und 1894 zweigleisig ausgebaut wurde. Mitte der 20er Jahre hat der Verkehr weiterhin zugenommen, sodass von Seiten der Bahnverwaltung über den Neubau einer Bahnbrücke nachgedacht wurde. Der Entschluss zum Bau der Straßenbrücke ist nur aufgrund der Bahnplanungen ins Rollen gekommen.
Zunächst war angedacht, die alten Brückenelemente der Bahnbrücke als Autobrücke weiter zu nutzen. Zu dieser Variante ist es jedoch nicht gekommen, sodass 1936 zunächst die Autobrücke über die Oste eingeweiht wurde.
Der Segelschiffsverkehr konnte, trotz Protest der Segelschiffer, nicht mehr aufrechterhalten werden. Die Schiffer, die oberhalb der Ostebrücken beheimatet waren und Schiffe mit einem nicht legbarem Mast hatten, bekamen vom Staat eine Abfindung zum Umbau der Takelung.
Ab 1920 kam es ohnehin dazu, dass immer mehr Motorschiffe in Betrieb genommen wurden, sodass es kaum noch Segelschiffe gab, die die Häfen anfuhren um Waren zu transportieren.
In den Jahren 1936-1938 wurde eine neue Stabbogenbrücke über die Oste errichtet. Die Bauausführung des Stahlbaus übernahm die Fa. C.H. Jucho aus Dortmund, die unter anderem auch die Rendsburger Hochbrücke sowie den Portalkran der ehem. Sietas-Werft in Neuenfelde baute.
Die neue Stabbogenbrücke wurde unter vollständiger Beibehaltung des Eisenbahnverkehrs nördlich der alten Drehbrücke erstellt. Hierzu musste der Bahndamm auf beiden Seiten der Oste verbreitert werden.
Am 3. Mai 1945 wurde die Brücke nach nur 7 Jahren Lebensdauer von den abziehenden deutschen Truppen gesprengt.
Die britische Besatzungsmacht beauftrage nur 3 Wochen (!!!) nach der Sprengung am 31.Mai 1945 die Firma Habermann & Guckes AG aus Kiel mit dem Wiederaufbau der Brücke. Die beiden Felder auf der Hechthausener Seite aus Vollwandträgern blieben durch die Sprengung unversehrt. So galt es nun, einen Ersatzbau für das 71,20m breite Feld über die Oste zu finden. Die Wahl fiel auf ein sogenanntes RE-Brückengerät. Brückengeräte sind mobile, schnell aufzubauende Eisenbahnbehelfsbrücken. Entwickelt wurde das RE-Brückengerät von den Firmen Waagner-Biro (Wien), Stahlbau Eggers (Hamburg) und der Dortmunder Union vor dem 2. Weltkrieg. Die Organisation Todt (eine Bauorganisation während des Krieges, die kriegswichtige Bauten durchführte) sollte damit die Nachschubwege der Wehrmacht in den eroberten Gebieten aufrechterhalten. Der Vorteil dieser Rautenbrücke ist die einfache Konstruktion, der relativ leichte Aufbau durch wenig verschiedene Einzelteile und die Anpassung an verschiedene Stützweiten.
Die Behelfsbrücke soll angeblich im Hamburger Hafen demontiert und auf dem Wasserweg antransportiert worden sein.
Leider blieb es bei der Behelfsbrücke. Diese erfüllt bis heute ihren Dienst. Seit 1988 wird der Bahnbetrieb zwischen den Bahnhöfen Hechthausen und Himmelpforten wieder eingleisig geführt.
Der Betrieb der Bahnstrecke
Zu Beginn der Eisenbahnbetriebes verkehrten in beide Richtungen täglich jeweils 3 Züge. Jeweils einer davon als gemischter Personen- und Güterzug.
Im Jahre 1889 fuhren auf der Strecke erste Hapag-Sonderzüge für den Nordamerikadienst. Bis zu sieben Züge waren nötig, um die großen HAPAG-Schiffe mit Passagieren voll auszulasten. Das heißt, die Auswanderer, die ihre Deutsche Heimat verließen um in Amerika ihr Glück zu finden, sind noch ein letztes Mal durch Burweg gefahren.
Am 1. Juli 1890 ging die Unterelbische Eisenbahn zu einem Preis von 15,9 Mill.Mark auf den preußischen Staat über und unterstand nun der Eisenbahndirektion Hannover. Im Jahr 1900 verkehrten auf der Strecke täglich 5 Güter- und 10 Personenzüge.
Neben dem Personenverkehr bekam der Güterverkehr zunehmende Bedeutung. Es wurde Stückgut, landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Saat- oder Speisekartoffeln, Obst und später Zuckerrüben von Hamburg nach Cuxhaven oder zurückbefördert. Hinzu kamen Viehtransporte, zum Beispiel aus Horneburg. Und Bau- und Handwerkstoffe wie Kohle, Düngemittel oder Maschinen sowie Zement aus Hemmoor.
Am 9. Dezember 2006 hat auf der Bahnstrecke zwischen Hamburg und Cuxhaven ein neues Zeitalter mit der Metronom-Bahngesellschaft begonnen. Die Metronom -Züge sind schon von Weiten durch ihre geschwungenen Farbanstriche in den Farben Gelb, Weiß und Blau zu erkennen.
Unfälle und Kurioses
Unfälle und sonstige kuriose Begebenheiten haben sich ebenfalls zugetragen.
Eine kuriose Begebenheit, die sich knapp ein Jahr nach Eröffnung der Bahnlinie in Hechthausen zutrug. Hier der Bericht (Nds. Staatsarchiv Stade Rep. 80 E Tit. 17 Nr. 8b
Harburg, den 30. Sept 1882 Unterelbische Eisenbahngesellschaft
An den Herrn Kreisbauinspector Valett, Neuhaus,
Heute Morgen gegen 3 Uhr ist ein bedeckter Güterwagen der Unterelbischen Eisenbahn, welcher zum Transport von Vieh bestimmt war, durch den während der Nacht entstandenen Sturm von Neuhaus fortgetrieben, bis zur Drehbrücke der Oste gelaufen und hier in die Oste gestürzt.
Indem ich mir erlaube, Ihnen hiervon ergebenst Mitteilung zu machen, füge ich hinzu, daß die nötigen Schritte zur Beseitigung des Wagens, welcher zwischen dem Mittelpfeiler der Drehbrücke und dem nach Hechthausen zu nächsten Brückenpfeiler liegt, geschehen sind. Solange diese eine Öffnung von den Schiffen nicht passiert werden kann, wird den Schiffern bei Tage die Unpassierbarkeit durch je ein Kreuz, bei Nacht durch je eine Laterne auf jeder Seite der Brückenöffnung angezeigt. Ferner habe ich angeordnet, daß während der Nacht noch ein Wärter angestellt ist.
Sonstige Störungen der Schifffahrt sind durch diesen Unfall nicht hervorgerufen.
Der Betriebsinpector Rechel
Ein recht ungewöhnlicher Verkehrsunfall ereignete sich 2003 an der Eisenbahnunterführung der B73. Ein LKW mit Siloauflieger der ehem. Spedition Torborg fuhr vom Betriebsgelände in Hechthausen in Richtung Stade. Während der Fahrt hat der Fahrer wohl unbemerkt den Auflieger hochgefahren. Die Tour nahm an der Brücke ein jähes Ende als der hochgeklappte Auflieger an der Brücke hängen blieb. Der massiven Brückenkonstruktion konnte dieser Aufprall jedoch nichts anhaben. Nach Inspektion durch die Bahn wurde der Bahnverkehr wieder freigegeben.
Einen besonderen Schnappschuss machte der Fotograf Klaus-Hermann Borchers aus Burweg während der Schneekatastrophe 1978/79. Eine Lok der Baureihe 218 mit vorgebauten Schneeräumschild befreit die verschneite Bahnstrecke von den Schneemassen.
Am 24. Juni 2017 ereignete sich auf der Bahnstrecke Cuxhaven-Hamburg im Burweg ein gefährlicher Beinaheunfall. Der Zug Metronom fuhr unvermittelt in die Einsatzstelle der Burweger Feuerwehr, die nach Sturmschäden Bäume von den Gleisen räumte.
Quellen
- Hechthausen in alten Bildern, Heimatverein Hechthausen
- Klauder, Ann-Katrin, Und damals war es Borchweghe
- https://www.historische-wertpapiere.de/de/HSK-Auktion-XVIII/?AID=14773&AKTIE=Cuxhavener+Eisenbahn%2D%2C+Dampfschiff%2D+und+Hafen%2DAG
- Die Unterelbe’sche Eisenbahn, Hans-Otto Schlichtmann
- Archiv Hans Gerhard Alstedt, Hechthausen
Verfasser:
Thorsten Ratzke
Heimat- und Kulturverein Burweg e.V.
Dorfstraße 5a
21709 Burweg
info@heimat-burweg.de